Montag, 6. Juni 2011

Das Harry Potter Prequel auf Deutsch

"Ach, unsere Namen meinen sie? Das hätten Sie gleich sagen sollen! 
Das hier ist James Potter, und ich bin Sirius Black!“

(Klicken zum Vergrößern)
2008 versteigerte die größte britische Buchhandelskette Waterstone's handgeschriebene Postkarten von verschiedenen Autoren für einen wohltätigen Zweck.  Eine von diesen Karten wurde von J.K. Rowling beschrieben. Sie entschied sich, ein kurzes Harry-Potter-Prequel zu verfassen, das etwa 800 Wörter lang ist und drei Jahre vor Harrys Geburt spielt. Ein britischer Investment-Banker ersteigerte die Kurzgeschichte schließlich für 25000 Pfund. Später erschien unter dem Titel "What's your story" ein kleiner Sammelband mit Faksimiles der Postkarten. So blieb die Geschichte nicht nur dem Höchstbietenden vorbehalten, sondern konnte auch von den Fans weltweit gelesen werden. 

Kurz nachdem das Prequel im Internet aufgetaucht war, übersetzte ich es ins Deutsche - hauptsächlich für mich und meine Familie. Ende Mai habe ich diesen drei Jahre alten Text wieder ans Licht geholt und stark überarbeitet - ich hatte fast wörtlich übersetzt und der Text klang dementsprechend holprig. Mit der neuen Fassung bin ich relativ zufrieden und möchte sie daher an dieser Stelle mit euch teilen. Ihr könnt das Prequel als PDF runterladen und ausdrucken oder weiter unten direkt hier im Blog lesen. Viel Spaß bei der Lektüre!

 Das Harry-Potter-Prequel
Das Motorrad raste mit derart überhöhter Geschwindigkeit im Dunkeln um die Kurve, dass die beiden Polizisten im Streifenwagen dahinter „Halt!“ riefen.  Sergeant Fisher trat mit seinem großen Fuß scharf auf die Bremse, damit der Junge im Beiwagen nicht unter seine Räder geschleudert wurde.  Das Motorrad fuhr aber um die Kurve, ohne die Passagiere vom Sitz zu werfen, und mit einem roten Aufblitzen des Rücklichts verschwand es in einer schmalen Seitenstraße.
„Jetzt haben wir sie!“, rief Constable Anderson aufgeregt. „Das ist eine Sackgasse!“
Fisher riss das Lenkrad herum und ließ den Motor aufheulen, als er den Wagen in die Gasse zwängte und dabei die Hälfte des Lacks von der Seite des Autos abschabte.
Dort im Scheinwerferlicht saß ihr Fang, der nach einer viertelstündigen Verfolgungsjagd endlich zum Stehen gekommen war. Die beiden Motorradfahrer waren zwischen einer hohen Backsteinmauer und dem Polizeiauto gefangen, das nun wie ein knurrendes Raubtier mit leuchtenden Augen auf sie zugescheppert kam.
Zwischen den Autotüren und den Straßenmauern war so wenig Platz, dass Fisher und Anderson sich nur mühevoll aus dem Wagen herauswinden konnten. Es verletzte ihre Würde, sich wie Krebse zu den Strolchen durchkämpfen zu müssen. Fishers gut gepolsterter Bauch schliff an der Wand entlang, wobei er einige Hemdsknöpfe einbüßte – am Ende brach er mit seinem Hinterteil auch noch den Rückspiegel ab.
„Runter vom Motorrad!“, brüllte er die grinsenden Jugendlichen an, die sich genussvoll im Blaulicht zu sonnen schienen.
Sie folgten seiner Anweisung.  Fisher riss sich endlich von dem zerbrochenen Rückspiegel los und funkelte die beiden an. Er schätzte sie auf nicht ganz zwanzig Jahre. Derjenige, der gefahren war, hatte langes schwarzes Haar. Sein anmaßend gutes Aussehen erinnerte Fisher unangenehm an den Gitarre spielenden, nichtsnutzigen Freund seiner Tochter. Der andere Junge hatte ebenfalls schwarzes Haar, doch es war kurz und stand in alle Richtungen ab. Sein Gesicht zierten eine Brille und ein breites Grinsen. Beide trugen T-Shirts, auf denen ein großer goldener Vogel prangte, ohne Zweifel das Emblem einer ohrenbetäubenden, misstönenden Rockband.
„Ohne Helm!“, rief Fisher und zeigte von einem unbedeckten Kopf zum anderen. „Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit um – um einen erheblichen Betrag!“ (Tatsächlich war die gemessene Geschwindigkeit höher als Fisher es jemals bei einem Motorrad für möglich gehalten hätte.) „Widerstand gegen die Staatsgewalt!“
“Wir hätten liebend gern angehalten und geplaudert“, sagte der Junge mit der Brille, „aber wir haben versucht…“
„Werde nicht unverschämt – ihr zwei sitzt mächtig in der Tinte!“, knurrte Anderson. „Namen?“
 „Namen?“, wiederholte der langhaarige Fahrer. „Äh… nun, mal sehen. Es gibt Wilberforce… Batseba… Elfendepp…“
„…und das Schöne an dem letzten ist, der geht für Jungen und Mädchen”, sagte der Junge mit der Brille.
„Ach, unsere Namen meinen sie?“, sagte der erste, während Anderson vor Wut zu schäumen begann. „Das hätten Sie gleich sagen sollen! Das hier ist James Potter, und ich bin Sirius Black!“
„Black? Für dich sieht es wirklich gleich schwarz aus, du unverschämter, kleiner…“
Aber weder James noch Sirius schenkten ihm Beachtung. Auf einmal waren sie so wachsam wie Schießhunde und starrten hinter Fisher und Anderson, über das Dach des Polizeiautos zum dunklen Eingang der Gasse. Dann griffen sie gleichzeitig und blitzschnell in ihre hinteren Hosentaschen.
Einen Augenblick lang sahen die beiden Beamten schon Pistolenläufe vor ihren Augen blitzen, aber eine Sekunde später erkannten sie, dass die Motorradfahrer nichts weiter gezogen hatten als… „Trommelstöcke?“, spottete Anderson. „Zwei richtige Witzbolde seid ihr, oder? Genug jetzt, sie sind vorläufig festge …“
Aber Anderson sollte diesen Satz niemals beenden. James und Sirius hatten etwas Unverständliches gerufen und die Lichtkegel der Scheinwerfer hatten sich bewegt.
Die Polizisten drehten sich um und stolperten gleich wieder rückwärts. Drei Männer flogen – flogen tatsächlich –  auf Besen die Gasse entlang – und im selben Moment bäumte sich das Polizeiauto auf seinen Hinterrädern auf.
Fishers Knie gaben nach und er fiel rücklings zu Boden. Anderson stolperte über Fishers Beine und fiel auf ihn drauf, als sie hörten –FLAMP – BÄNG – KRACH – wie die Männer auf den Besen in das hochkant stehende Auto einschlugen und scheinbar bewusstlos zu Boden stürzten, während ein Regen aus Besensplittern auf sie niederprasselte. 
Das Motorrad war wieder röhrend zum Leben erwacht. Mit offenhängendem Mund nahm Fisher allen Mut zusammen und blickte zurück zu den Jugendlichen.
„Vielen lieben Dank!“, rief Sirius über das Rattern des Motors hinweg. „Wir schulden euch was!“
„Ja, schön euch zu kennenzulernen!“, sagte James. „Und nicht vergessen: Elfendepp! Der ist unisex!“
Ein lautes Krachen ließ die Erde erbeben und Fisher und Anderson schlangen entsetzt die Arme umeinander: Ihr Auto war soeben zurück zu Boden gefallen. Jetzt war es das Motorrad, das sich aufbäumte. Vor den ungläubigen Augen der Polizisten erhob es sich in die Luft: James und Sirius fuhren in den Nachthimmel davon und ihr Rücklicht funkelte hinter ihnen wie ein entschwindender Rubin.  

Ein Auszug aus dem Prequel, an dem ich nicht arbeite – aber es hat Spaß gemacht!
J.K. Rowling
2008


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